Mutterschaft geht mit erheblichen Nachteilen bei Alterssicherung und Verm?gen einher – trotz Mütterrente
W?hrend in Berlin um das neue Rentenpaket – einschlie?lich der Mütterrente – gerungen wird, liefert eine aktuelle Studie der Otto-Friedrich-Universit?t Bamberg neue empirische Befunde zur Altersabsicherung von Müttern in Deutschland. Der in Jahrbücher für National?konomie und Statistik ver?ffentlichte Artikel von Prof. Dr. Katja M?hring und Clara Overweg vom Lehrstuhl für Soziologie, insbesondere Familie und Arbeit, sowie Dr. Andreas P. Weiland vom Lehrstuhl für Lebensverlaufssoziologie an der TU Dortmund zeigt: Mutterschaft führt in Westdeutschland zu erheblichen Nachteilen bei Rentenansprüchen und Verm?gensaufbau – in Ostdeutschland dagegen fallen die Unterschiede geringer aus. Neu an der Untersuchung ist, dass sie Rentenansprüche und Verm?gen erstmals gemeinsam über den gesamten Lebensverlauf vergleicht und dabei auch Unterschiede nach Kinderzahl sowie zwischen Ost und West detailliert herausarbeitet.
?Unsere Ergebnisse zeigen, dass Reformen nicht an den Lebensrealit?ten vorbeigehen dürfen – besonders nicht an den strukturellen Benachteiligungen von Müttern“, betont Katja M?hring, Professorin für Soziologie, insbesondere Familie und Arbeit, der Universit?t Bamberg. ?Vor allem in Westdeutschland gibt es eine anhaltende Renten- und Verm?genslücke, die weder Kindererziehungszeiten noch private Vorsorgeinstrumente vollst?ndig schlie?en.“
Die Studie ?The Motherhood Penalty in Financial Resources for Retirement: A Life Course Perspective on the Accumulation of Public Pension Wealth and Personal Wealth in East and West Germany“ basiert auf dem Datensatz SOEP-RV, der Haushaltsbefragungen mit Rentendaten der Deutschen Rentenversicherung kombiniert. Untersucht wurden Frauen der Geburtsjahrg?nge 1937 bis 1989 in Ost- und Westdeutschland.
Gesetzliche Rente: Unterschiedliche Entwicklungen der Ansprüche in Ost- und Westdeutschland
In Westdeutschland führt Mutterschaft zu einem deutlichen Rückstand bei den gesetzlichen Rentenansprüchen. Selbst nach der rentenrechtlichen Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten – wie der sogenannten Mütterrente – besteht im Durchschnitt über 150.000 Euro weniger Rentenverm?gen im Vergleich zu kinderlosen Frauen. Als Rentenverm?gen definiert wird dabei die Summe des Renteneinkommens über die voraussichtliche geschlechter- und kohortenspezifische Lebenserwartung hinweg. In Ostdeutschland kommen Mütter aufgrund traditionell hoher Erwerbsbeteiligung deutlich n?her an kinderlose Frauen heran. Bis zum Rentenalter gleichen sich die Ansprüche in Ostdeutschland nahezu an. Andreas P. Weiland erl?utert: ?Die ostdeutschen Erwerbsverl?ufe zeigen, dass kontinuierliche Erwerbsbeteiligung langfristig mit geringeren Unterschieden bei den Rentenansprüchen einhergeht.“
Verm?gen: Deutliche Motherhood Penalty im Westen
Das Verm?gensniveau ist in Westdeutschland generell h?her – doch insbesondere hier ist die sogenannte Motherhood Penalty, eine in der Forschung etablierte Bezeichnung für finanzielle Nachteile von Müttern, besonders ausgepr?gt: Kinderlose Frauen erreichen im Alter durchschnittlich ein fast zehnmal so hohes individuelles Verm?gen wie Mütter. In Ostdeutschland ist die Verm?genslücke geringer; sie betrifft vor allem Mütter mit zwei oder mehr Kindern.
Mehr Kinder – h?heres Risiko
In beiden Landesteilen zeigen sich starke Nachteile für Mütter mit zwei oder mehr Kindern, die sowohl beim Verm?gen als auch bei Rentenansprüchen am meisten zurückfallen. Clara Overweg sagt: ?Unsere Analysen zeigen, dass Unterschiede in den Erwerbsverl?ufen entscheidend dafür sind, wie sich Renten- und Verm?genswerte entwickeln. Besonders bei Frauen mit mehreren Kindern wirken sich l?ngere oder h?ufigere Erwerbsunterbrechungen deutlich aus.“
Strukturelle Hebel für mehr Gleichberechtigung und stabile Renten
Die Forschenden betonen, dass eine zukunftsorientierte, fiskal nachhaltige und geschlechtergerechte Rentenpolitik vor allem durch Reformen in der Arbeitsmarkt- und Familienpolitik gestaltet werden kann. Entscheidend sei dabei die F?rderung einer gleichberechtigteren Beteiligung von Frauen und M?nnern an der (Vollzeit-)Erwerbst?tigkeit – etwa durch Ma?nahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch auf betrieblicher Ebene bestehe Potenzial für unterstützende Ans?tze, beispielsweise durch flexible Arbeitszeitmodelle. Im Gegensatz dazu begünstigten bestehende Regelungen wie das Ehegattensplitting weiterhin, dass insbesondere Mütter h?ufiger geringfügig oder in Teilzeit besch?ftigt sind. Zudem k?nnten Instrumente wie die Elternzeitregelung genutzt werden, um V?ter st?rker in Sorgearbeit einzubinden, so die Forschenden. Solche Ma?nahmen lie?en sich umsetzen, ohne zus?tzlichen Druck auf die Finanzierung der gesetzlichen Renten auszuüben – zugleich k?nnten sie wichtige Weichen für eine nachhaltige soziale und wirtschaftliche Entwicklung stellen und angesichts des Fachkr?ftemangels sowie des demografischen Wandels positive Impulse für den Wirtschaftsstandort Deutschland setzen.
Die Studie ist Teil des Forschungsprojekts ?Lebenslauf, Verm?gen und Alterseinkommen in Ost- und Westdeutschland: Ein Kohorten- und Geschlechtervergleich“, gef?rdert vom Forschungsnetzwerk Alterssicherung (FNA) der Deutschen Rentenversicherung. Das Projekt untersucht systematisch die Erwerbsverl?ufe von Frauen und M?nnern in Ost und West, ihre Altersvorsorgewege und Rentenanwartschaften sowie deren Zusammenhang mit Verm?gen über alle Kohorten hinweg. Durch die Kombination von Renten- und Befragungsdaten erm?glicht das Projekt, Erwerbsbiografien, Verm?gensbildung und Alterssicherung über den gesamten Lebenslauf miteinander zu verknüpfen. ?Gerade im Licht von Rentendebatten brauchen wir belastbare Daten dazu, welche Lebensverl?ufe besonders h?ufig mit finanziellen Risiken im Alter verbunden sind – und was sozialpolitische Ma?nahmen langfristig bewirken. Genau das liefert unser Projekt“, sagt Katja M?hring.
Publikation:
Katja M?hring, Clara Overweg & Andreas P. Weiland (2025): The Motherhood Penalty in Financial Resources for Retirement: A Life Course Perspective on the Accumulation of Public Pension Wealth and Personal Wealth in East and West Germany. Jahrbücher für National?konomie und Statistik. https://doi.org/10.1515/jbnst-2024-0064
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